Heftroman, Groschenheft, Dime Novel, Trivialliteratur
Als Heftromane werden DIN A5-Hefte bezeichnet, die zum schnellen Konsum im Drehständer der Bahnhofsbuchhandlungen oder in der Nähe der Supermarktkasse angeboten werden.
Ab den 1950er-Jahren erlebte die Branche einen Boom, der bis weit in die 80er-Jahre anhielt. Damals hatten die Verlage ein uneingeschränktes Monopol auf triviale Unterhaltung und entsprechend hoch waren die Verkaufszahlen. Jährlich wurden bis zu 300 Millionen Exemplare ausgeliefert.
Mitte der 80er-Jahre entstand ernsthafte Konkurrenz. Deutschland führte das Privatfernsehen ein. Die Sender erfanden neue Formate und eroberten mit Soaps und Telenovelas einen Teil des Markts. Die neuen Produkte standen den Konsumenten leichter Unterhaltung praktisch über Nacht kostenlos zur Verfügung.
Im digitalen Zeitalter sollte es kaum noch Gründe geben, zum Heftroman zu greifen. Erstaunlicherweise ist die Gattung aber immer noch lebendig – wenn auch auf kleinerer Flamme, als zu ihren besten Zeiten.
Heftromane und ihre Zielgruppen
Heftromane sind auf ihr Lesepublikum zugeschnitten.
- Science Fiction
- Fantasy
- Grusel
- Horror
- Western
- Abenteuer
- Krimi
richten sich an männliche
und
- Liebe
- Adel
- Ärzte
- Heimat
- Berg
- Herzschmerz
an weibliche Leser.
Die Grenzen sind dabei fließend. Fantasy beispielsweise hat einen sehr hohen Anteil an Leserinnen. Zur Unterscheidung nach Geschlecht siehe auch die Betrachtungen zum Markt für Heftromane weiter unten in diesem Beitrag.
Von der Literaturkritik wird der Heftroman verschont. Als Autor musst du also keinen Verriss in der FAZ befürchten. Wenn überhaupt darüber geschrieben wird, wird das konservativ-betuliche Weltbild, die Idealisierung der Helden und die einfache Sprache beklagt.
Den Autoren wird vorgeworfen, dass sie bewusst für ein weniger intellektuelles Publikum schreiben. Mit anderen Worten: Sie schrieben »nach unten«.
Das Publikum entscheidet
Niemand macht Redakteuren der Bild-Zeitung diesen Vorwurf. Im Gegenteil. Als Bild-Schreiber kann man es in der Branche weit nach oben bringen. Auch die Autoren erfolgreicher Soaps oder Telenovelas müssen sich selten rechtfertigen. Bei der Suche nach guten Unterhaltungsthemen sind sie gefragte Spezialisten. Nichts anderes macht der Autor eines Groschenhefts.
Wo auch immer ein Publikum verortet ist: Als Autor kannst du nur erfolgreich sein, wenn du Empathie und Verständnis für deine Leser entwickelst.
Heftroman-Leser sind keine digitalen Analphabeten. Unzählige Reihen erscheinen als E-Books (oder besser E-Hefte) und erzielen teilweise enorme Umsätze.
Markt und Absatz
Den Löwenanteil am Geschäft teilen sich vier deutsche Verlage.
»Reisen durch die Welt der Phantasie!«
40 Heftreihen
27 Millionen Hefte im Jahr
10 Millionen Euro Umsatz im Jahr 2018
Bastei-Lübbe AG
»Gefühle kann man lesen«
55 Heftreihen
50 Millionen Hefte im Jahr
Martin Kelter Verlag GmbH & Co. KG
»Romane für ein sinnlich-romantisches Lesevergnügen«
550 Romane im Jahr (Cora veröffentlicht einen Mix aus Heft- und Taschenbuch)
15 Millionen Hefte im Jahr
Cora Verlag HarperCollins Germany
»Willkommen bei der größten Science-Fiction-Serie der Welt«
Perry Rhodan, in 2019 rund 60.000 Hefte pro Woche
Pabel-Moewig Verlag KG
Steadyseller wie Chefarzt Dr. Norden erreichen eine Druckauflage von 25.000 Exemplaren pro Woche. Auch von der ältesten Familienreihe Mami werden wöchentlich 25.000 Exemplare gedruckt. »Mami« ist inzwischen bei der unglaublichen Folge 2.872 angelangt. Der Titelzusatz »In großer Schrift« ist ein Hinweis auf die älter gewordene Kundschaft. Die Mamis von damals sind die Großmütter von heute. Auch Lesegewohnheiten können vererbt werden!
Im Vergleich dazu: Die Auflage eines herkömmlichen Romans in einem deutschen Belletristik-Verlag liegt bei durchschnittlich 4.000 bis 10.000 Exemplaren.
2017 erschienen circa 100 neue Hefte in Deutschland. Wöchentlich.
Der Standardumfang eines Heftromans beläuft sich auf 64 Seiten, der Preis im Handel beträgt 1,80 Euro und aufwärts.
Dazu kommen Neuauflagen und Sammelbände.
Während das Angebot früher von männlichen Themen geprägt wurde, ist es heute umgekehrt.
Frauenserien dominieren den Markt
Typisch männliche Reihen findet man selbst in den großen Bahnhofsbuchhandlungen nur noch vereinzelt. Das Gros der männlichen Leser bevorzugt ein digitales Angebot.
Im Durchschnitt ist ein Heftromanleser 60 Jahre alt. Das sind keine guten Aussichten für die Anbieter, denn die nachwachsende Generation ist mit Smartphone, Youtube und Netflix aufgewachsen und vertraut.
Der Unterhaltungs-Konsum bindet Zeit, die dem klassischen Lesen insgesamt genommen wird. Das ist eine Herausforderung, mit der sich auch etablierte Verlage für Sachbuch, Belletristik oder Kinderbuch täglich auseinandersetzen müssen.
Heftromane: Anbieter mit zwei Strategien
Die Anbieter von Heftromanen setzen auf zwei Strategien, um ihre Geschäftsmodelle an veränderte Bedingungen anzupassen.
Digitalisierung
Im Rahmen der Digitalisierung werden E-Heft und klassische Printausgabe im Webshop nebeneinander und gleichberechtigt präsentiert. Auf diese Weise behält der Leser den Überblick über seine Reihe und verpasst keine einzige Ausgabe mehr.
Sollte er Print bevorzugen, aber zu spät dran sein, kann er seine Heftlücke jederzeit mit einer digitalen Ausgabe schließen.
Lizenzgeschäft
Heft-Verlage suchen zunehmend nach Möglichkeiten, im Ausland ins Geschäft zu kommen.
Insbesondere in China hat die Leserschaft ein starkes Interesse an europäisch-exotischen Storys mit Bezug zu beispielsweise den Alpen.
Auch Geschichten über fiktive Adels- und Fürstenhäuser sind extrem beliebt. Als Konsequenz werden übersetzte Heftromane inzwischen als E-Books nach China sowie in weitere Länder verkauft.
Was ein Heftroman-Autor beachten sollte
Autoren stehen die folgenden Themenbereiche offen.
- Adel, Arzt und Liebe
- Erotik
- Grusel & Horror
- Krimi
- Western
- Science-Fiction
Alles andere geht nicht.
Sondervereinbarungen sind ebenso wenig erwünscht.
Dein Manuskript hat 200 Seiten?
Vergiss es. Nach 64 Seiten ist Schluss.
Deinen Namen wirst du auf dem fertigen Heft vergeblich suchen. Als Autor bekommst du ein Pseudonym – angepasst an das Genre, in dem du schreibst.
Für einen Prinzessinnen-Roman beispielsweise klingt das Pseudonym elegant und für eine Heimatgeschichte eher bodenständig.
Für den Arztroman drückt es Kompetenz aus und, wenn du einen Western schreibst, ist es kantig und männlich.
Ein Pseudonym ist Teil der Gesamtinszenierung
Eiserne Regeln im Geschäft
Die drei Hauptregeln beim Schreiben von Heftromanen.
Regel Nr. 1
Leser wünschen keine Überraschung.
Regel Nr. 2
Das Heftroman-Geschäft ist hart und schnell. Die Geschichten klingen ähnlich und trotzdem müssen ständig neue her.
Regel Nr. 3
Der Autor ist Fließbandarbeiter. Eigene Ideen können ausschließlich im Rahmen der Serie eingebracht werden.
Schreibregeln
Grundsätzlich folgt die Handlung im Heftroman einem schematischen Set. Bei einem Bergroman könnte das ein Dorf in den Alpen sein. Bei einem Fürstenroman das herrschaftliche Anwesen am See.
Beispiel für ein Handlungsmuster
- ein junges Paar lernt sich kennen (1)
- ein Grund, der das Zusammenkommen erschwert, tritt ein (2)
- Tiefpunkt/Katastrophe (3)
- Happy End (4)
Liebe, Leben und Leidenschaft
Nach diesem Muster werden Handlungsstränge und Personen verflechtet. Ein Heftroman wechselt alle paar Seiten von der einen zur nächsten Figur und wieder zurück.
To-Do-Liste (Auswahl)
- Zur Orientierung der Leser fängt jedes Kapitel mit dem Namen der handelnden Person an.
- Ein Unterkapitel hat maximal acht Seiten und wird mit drei Sternchen (* * *) beendet, um den Szenenwechsel auch optisch einzuleiten.
- Beim Stil kannst du dich ausnahmsweise austoben.
- Sei blumig und verwende viele Adjektive: Die Gipfel sind möglichst schroff, die Täler eng, die Burschen kernig und das Maderl fesch.
- Sätze dürfen nicht zu lang sein und im Schnitt mit elf Wörtern auskommen.
(Dieser hier hat 13). - Schreib möglichst viele Dialoge.
Was nicht erwünscht ist
- Sex (mit Ausnahme der Erotik-Reihen)
- Politik
- Religion
- Fremdsprache
- Jugendsprache
Sonderfall Sex
Auch in einigen Nicht-Erotikheften geht es durchaus zur Sache. Zum Beispiel enthalten manche Western explizite Szenen.
Der Inhalt ist fast immer über das Cover-Motiv codiert. Eine entblößte Brust beispielsweise (der sogenannte Tittencode) ist ein starkes Indiz für Sex im Heft.
Sonderfall statische Serie
Eine statische Serie basiert auf einem Serienexposé, an dem sich über viele Jahre nichts ändert.
Wenn die Notärztin beispielsweise einen jüngeren Bruder hat, der fast 18-jährig ist und kurz vor der Führerscheinprüfung steht, ist der Bruder auch nach 10 Jahren turbulenter Handlung immer noch fast 18-jährig und zu Fuß unterwegs.
Sonderfall Autorenteam
Ein Heft mit wöchentlicher Erscheinungsweise bei vorgegebenem Handlungsstrang. Das schafft kein Autor allein!
Deshalb wird das Thema von einem Team abgearbeitet. Mehrere Autoren schreiben gleichzeitig an verschiedenen Folgen einer Geschichte.
Was du mit Heftromanen verdienen kannst
Das Honorar für eine Geschichte variiert je nach Verlag, Genre, Reihe und Auflage. Und natürlich von der Erfahrung als Autor.
Als Faustregel kann man davon ausgehen, dass Verlage zwischen 600 und 1000 Euro pro Roman zahlen.
Routinierte Autoren schaffen einen Roman in acht bis zehn Tagen.
Reich werden (auch) an Erfahrung
Wem das Schreiben von Heftromanen Spaß macht kann sich, bei einem fertiggestellten Heft pro Monat, auf ein nettes Zubrot freuen.
In der breiten Öffentlichkeit ist kaum bekannt, dass einige Belletristik-Autoren mit dem Schreiben von Heftromanen angefangen haben. Manche von ihnen tun es sogar bis heute!
Lektorat
Du planst deinen ersten Heftroman als perfektes Entrée in das Genre?
Als professioneller Testleser prüfe ich dein Manuskript auf Herz und Nieren. Schreib mir ein, zwei Zeilen und wir schauen, ob und was sich daraus machen lässt. Ich antworte zeitnah.